Bertha-Benz-Tour 2020

Freitag Mittag, 14.08.2020.

Die Tasche ist gepackt, meine Zoe steht voll geladen in der Garage und wartet auf ihren Einsatz.

Es geht von meinem Heimatort Vellmar in Nordhessen 280 km  nach Mannheim in Baden- Würtemberg. Dort hat nämlich Bertha Benz gelebt.

„Bertha Benz…wer war das eigentlich?“ siniere ich, als ich mit gemütlichen 106 km/h zuerst auf der A7 und dann auf der A5 lautlos dahingleite. Von der Musikanlage meiner Zoe mal abgesehen, denn ohne Musik läuft bei mir nix.

Geboren wurde Bertha Benz am 03. Mai 1849 in Pforzheim. Als ihr Verlobter, Carl Benz, Geld braucht, um sein Unternehmen zu gründen, lässt sie sich 1871 ihre Mitgift auszahlen. Geheiratet haben die beiden ein Jahr später. Denn Carl Benz stammt, anders als sie, aus einfachen Verhältnissen. Eine Heirat unter Stand, also. Eher ungewöhnlich für diese Zeit.

Hier wird schon deutlich: Diese Frau wusste, was sie will. Typisch Stier, wenn ich das so anmerken darf. Wenn es sein muss, gehen wir mit dem Kopf durch die Wand. Denn wenn Stierfrauen sich etwas in den Kopf gesetzt haben, bekommen sie das in der Regel auch.

Deswegen wundert es mich auch überhaupt nicht, was im  August 1888 geschah:

Bertha Benz, inzwischen Mutter von 5 Kindern, fuhr, als die Aufträge für den 3-rädrigen Benz Patent Motorwagen Nr. 3 nicht in die Gänge kam, mit ihren beiden Söhnen (Eugen und Richard, zu diesen Zeitpunkt 15 und 13 Jahre alt), aber ohne dass ihr Mann Carl etwas davon wusste, das erste mal Langstrecke mit diesem Automobil.

104 km von Mannheim nach Pforzheim. Die ganze Tour dauerte 12 Stunden und 57 Minuten!

Zuvor wurde dieses Fahrzeug nur auf kurzen Testfahrten bewegt.

Bertha Benz. Automobilpionierin.

Und wir heute? Sind wir E-Mobil Pionierinnen, oder zumindest „Early Adopters“. Menschen, die mutig neue Dinge ausprobieren, bevor diese jeder nutzt. Viele von uns trotzen schon seit Jahren den Unkenrufen der Verbrennerlobby, dass E-Mobilität sich doch eh nicht durchsetzen wird.

Diese Tour ist sozusagen auch die erste offizielle Aktion unseres frisch gegründeten Vereins.

Inspiriert durch diese, für ihre Zeit sehr unkonventionelle Frau, reifte die Idee, ihren Spuren mit unseren E-Autos zu folgen. Und natürlich auch uns mal gegenseitig persönlich kennen zu lernen. Denn der soziale Aspekt ist uns Frauen, so glaube ich, enorm wichtig.

Meine Hinreise verläuft so, wie ich mir das wünsche. Immer, wenn meine Blase drückt, ist ein Rastplatz mit Ladesäule in Sicht. Denn tatsächlich hat sich in dem einen Jahr, seit ich in diese Richtung unterwegs war, einiges getan! Nun erkennt man schon auf der AB anhand entsprechender Piktogramme, also die Tanksäule mit Stecker, dass man hier laden kann. Alle 35 – 70 km entdecke ich diese Schilder. Auf den Rasthöfen selbst sind die Säulen zwar nach wie vor oft an der hintersten Ecke, aber ich muss nicht mehr lange Rätseln, wo sie wohl stecken. Auch hier sind nun Schilder zu finden, die mir den Weg weisen.

Ich erreiche Mannheim um 14:30 Uhr und beschließe erstmal mein Auto für die morgige Tour zu laden. Laut Goingelectric Stromtankstellen Verzeichnis gibt es in der Innenstadt am Rosengarten einen Triplecharger mit 43 kW AC Anschluß. Perfekt!

Denn meine Zoe ist eine Q 90, kann also mit max 43 kW laden. Mit 30 % Restreichweite bräuchte sie ca. 1,5 h bis 100% oder 50 min. auf 95%. Zeit, eine kleinen Stadtbummel zu machen und in einem netten Kaffee einen Kaffee zu trinken.

Ein freier Parkplatz ist auch da! Freu! Aussteigen, anstöpseln, freischalten….WAAAAS? Dieser Anschluß ist nicht verfügbar???!!!!

So ein Mist. Zu früh gefreut. Also erneut in die Wattfinder App ( basiert auf o.G. Verzeichnis) befragt. Neues Ziel: Ein Kaufland, 3,5 km entfernt. Dann los.

Ich komme an, aber wie das bei kostenlosen Ladesäulen so ist, steht da ein E-Smart. Die Anzeige im Display verrät mir: der steht hier schon 1,5 Stunden. Ich beschließe zu warten. Vielleicht kommt ja der Fahrer gleich, und ich kann laden.

Glück gehabt! Nach ca. 10 min. kommt ein Mutter-Tochter-Gespann und steigt ein!

Auto lädt, und ich mache einen Einkaufsbummel im Kaufland und trinke dort beim Bäcker einen Kaffee.

Als der Akku auf 87% geladen ist, stöpsel ich ab und fahre in die Waschstrasse direkt neben dem Hotel in dem ich übernachten werde.

Heute reisen noch mehr Mädels an, denn die wenigsten wohnen in der Nähe.

Wir haben uns im Best Western Hotel in der Keppler Straße verabredet.

Dort besprechen wir bei leckerem Essen schon einmal, wie das morgen, also Samstag, so Ablaufen soll. Im Laufe des Abends trudeln immer mehr electrified women ein, und es wird ein lustiger, geselliger Abend bevor wir müde in unsere Betten verschwinden.

Samstag, 15.08.2020

Am nächsten Morgen haben wir uns mit allen Teilnehmern für 9:00 Uhr auf dem Parkplatz hinter dem Hotel verabredet.

14 Frauen die auszogen, die Bertha Benz Memorial Route zu finden und zu befahren.

Dies sollte sich später als kniffliger herausstellen, als von uns angenommen.

Aber ohne Pleiten, Pech und Pannen wäre es ja auch zu langweilig, was?

Es fing damit an, dass Marinas e-UP! Über Nacht im Parkhaus nicht geladen hatte. So musste sie mit 98 km Restreichweite und vorsichtshalber ohne aktivierte Klimaanlage auf die 104 km lange Strecke starten.

Mit von der Partie waren folgende Autos: 1 VW e-UP! (32,3 kWh Akku) von Marina, 2 Hyundai Kona (je 64 kWh Akku) von Erika und Steffi, ein Tesla Model X von Lucia, ein Tesla Model S 100D von Lisa, ein Tesla Model 3 Long Range (Abk. LR) All Wheel Drive (Abk.: AWD), noch ein Model S in wunderschönem Hellblau Metalic und meine Zoe (41 kWh Akku). Wir verteilten diejenigen, die nicht selbst fahren wollten oder konnten, auf die Fahrzeuge und beschlossen, die Beifahrer bei den Stopps „weiterzureichen“, damit diese die Möglichkeit bekamen, möglichst viele E-Autos kennenzulernen.

Die Route führte uns von unserem Startpunkt, dem Barokschloss Mannheim über Feudenheim, Ilvesheim, Ladenburg, Schriesheim, Dossenheim, wo wir jeweils einen kurzen Stopp machten und unsere Gruppe  sich wieder sammelte, da wir verkehrsbedingt doch des Öfteren auseinander gerissen wurden und Beifahrer bei Interesse weiter vermittet wurden.

Weiter ging es über Heidelberg. Und hier wurde unsere Gruppe endgültig versprengt. Denn plötzlich rauschten aus allen Richtungen Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr heran. Großeinsatz. Nichts ging mehr.

Steffi schrieb in die Gruppe, dass sich ab hier bitte jeder selbst weiterleiten solle.

Ich war eines der ersten Fahrzeuge in der Kolonne und folgte Lisas Rotkäppchen. So heißt nämlich ihr rotes Model S.

Über Rohrbach, Leimen und Nussloch ging es weiter nach Wiesloch, wo wir einen längeren Stopp einlegten um 1. Marinas UP! zu laden und 2. die berüchtigte Apotheke zu finden, in der Bertha Benz 3 Liter Ligroin, also Waschbenzin, erstand, um ihre Fahrt fortsetzen zu können. Denn Tankstellen gab es damals natürlich noch nicht.

Seitdem gilt diese Apotheke als älteste Tankstelle der Welt.

Praktischerweise war die nächste Eisdiele nicht weit, und wir nutzten die Gelegenheit uns innerlich etwas abzukühlen. Denn das Thermometer zeigte inzwischen 30 Grad Celsius.

Weiter ging es in getrennten Gruppen, da der Biergarten in Pforzheim bereits auf uns wartete.

Ich hängte mich wieder an Lisa und Beifahrerin Christiane und wir folgten der Route weiter über Mingolsheim, Langenbrücken, Stettfeld, Ubstadt, Bruchsal, Untergrombach, Weingarten, Grötzingen, Berghausen, Söllingen. Eine Ortschaft schöner, als die Andere. Die alten Häuser, die zum Teil auch schon Bertha Benz gesehen haben muss damals:  Kleinsteinbach, Wilferdingen, Königsbach, Stein, Eisingen und schließlich Pforzheim. Dort klemmte ich meine Zoe an die nächste Ladesäule und wurde von Lisa und Christiane mit zum Biergarten genommen.

Nach Speis und Trank ging es auf den Rückweg. Aber erstmal die Zoe abholen.

Christiane hatte sich entschieden, nochmal in einem anderen Auto mitzufahren. Also startete ich mit Lisa zusammen. Die Ladesäule, an der die Zoe lud, war zwar öffentlich zugänglich, stand aber auf dem Gelände eines BMW Händlers.

Dort gab es noch eine Wallbox, an der ein BMW i3 mit Kennzeichen LL für Landsberg am Lech lud, aus dem eine Dame ausstieg. Sie war auf Erprobungstour und wollte das alles einfach mal ausprobieren.

Ich fragte sie, ob sie gerne an den Schnelllader wolle, da ich jetzt wegfahre.

Es stellte sich heraus, dass sie noch komplett unerfahren war, was E-Mobilität angeht. Sie wunderte sich nämlich schon, dass ihr Auto eine Ladezeit von 12 Stunden anzeigte.

Der i3 war allerdings gierig auf Strom und wollte sich zuerst nicht überreden lassen, die Ladung zu beenden und das Ladekabel zu entriegeln. Was nun?

Wir sind ja zum Glück gut vernetzt in der E-Mobilitätswelt. Während Lisa zusammen mit der Dame weiter versuchte, die Ladung über die Wallbox zu beenden, schrieb ich in meine Nordhessische Stammtisch-Gruppe, es möge uns doch bitte jemand verraten, was wir tun sollen. Frank meldete sich. Ich bat ihn, mich mal anzurufen, was er Liebenswürdigerweise auch tat.

Ich hatte gerade abgenommen, da meldete Lisa, sie hätten es irgendwie hin bekommen.

Wir ließen uns aber trotzdem einmal durch das Menü des i3 führen, damit die nette Dame beim nächsten mal weiß, was zu tun ist. In 2 Untermenüs versteckt findet man tatsächlich die Funktion Ladekabel entriegeln. Von alleine hätten wir vermutlich eine Stunde gebraucht, um das zu finden. Sie war wirklich äußerst glücklich, dass wir ihr geholfen haben. Leider ist ein E-Auto Momentan noch ein erklärungs- und beratungsintensives Prokukt. Ohne gründliche Einweisung passiert sowas schon mal.

Nachdem wir ihr dann auch noch den Triplecharger erklärt hatten, und nochmals wärmstens unseren Verein der electrified women empfohlen hatten, brachen wir endlich auf.

Zurück ging es auf einer ca. 90 Kilometer Langen Route folgender Maßen:
Pforzheim
Bauschlott (Neulingen)
Bretten
Gondelsheim
Helmsheim (Bruchsal)
Heidelsheim (Bruchsal)
Bruchsal
Forst
Hambrücken
Wiesental (Waghäusel)
Kirrlach (Waghäusel)
Reilingen
Hockenheim
Talhaus (Hockenheim)
Ketsch
Schwetzingen
Friedrichsfeld
Seckenheim (Mannheim)
Mannheim

Den Tag ließen wir ab 20:00 Uhr im Biergarten des Restaurants Estragon ausklingen, wo wir unsere Erlebnisse noch einmal bei leckerem Essen Revue passieren ließen.

Der Großteil der Teilnehmerinnen blieben noch über Nacht in Mannheim.

Mich führte der Weg noch nach Hause, wo ich gegen 22:45 Uhr losfuhr und um 2:30 Uhr Nachts ankam.

Es war ein wunderbares Wochenende mit vielen netten, einzigartigen unterhaltsamen Frauen. Wir waren uns schnell einig, dass wir das nächstes Jahr noch mal wiederholen werden.

Bericht: Kerstin Frieben

 

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